A52 ten in one
Wohnhaus Berlin Mitte für 10 Bauherr:innen
Jede Wohnung hat individuelle und flexible Grundrisse. Diese Vielfalt spiegelt sich auch im Fassadenspiel der geschosshohen Fenster- und Fassadenelemente wieder. Die horizontale Gliederung der Strassenfassade unterstreicht die Idee von übereinandergestapelten Eigenheimen.
Im Dachgeschoss gibt es eine gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse. Das Penthouse mit Gästewohnung steht den Bewohnern reihum je eine Woche zur Verfügung. Nach Bedarf wird untereinander rege getauscht.
Spielregeln für die partizipative Planung
Tragwerk
Tragende Wände liegen übereinander. Im stützenfreien Grundriss können ansonsten alle Wände individuell geplant oder auch nachträglich eingebaut werden. [Anm. Tragend sind nur die Haustrennwände und das Treppenhaus.]
Erschließung
Jede Wohnung besteht aus 2 Wohneinheiten mit eigenen Eingängen und anpassbarer Trennwand
Versorgung
Installationsschächte liegen übereinander, Bäder und Küchen können ansonsten individuell am Schacht liegen. Außen- und innenliegende Bäder und Küchen sind machbar.
Quelle: roedig-schop.de, Webseite der Architekten, abgerufen am 27.04.2021
In welchen Varianten wurden die Wohnungen in den knapp 20 Jahren seit Bezug genutzt? Was hat sich bewährt?
Bewährt hat sich das stützenfreie Tragwerk. Der bauliche Mehraufwand ist die Grundvoraussetzung für die grundrissliche Flexibilität. Beispielsweise hat eine junge Familie zuerst ein, und später ein zweites Kinderzimmer eingebaut. Aus einem 3-Raum-Studio wurde eine 5-Raum-Wohnung und kann bei Bedarf – nach Auszug der Kinder – wieder zum großzügigen Loft werden, oder durch Teilung vom Ein- zum Zweispänner mutieren. Auf den fünf Geschossen sind jeweils individuelle Grundrisse ausgeführt. Die notwendige Erschließung ist vorhanden. Auf diese Anpassungen ist der Grundriss vorbereitet. Unter anderem sind die Heizkreise im Wohnraum getrennt. Ausgeführt sind drei Heizkreise, weil die Bewohner in der Planungsphase nicht wussten, ob sie mit dem einen großen Raum leben wollen oder können. Nun lassen sich die Räume auch individuell heizen. Auch der Schallschutz ist mittels Estrichfuge berücksichtigt. Egal, ob eine Glaswand als Raumteiler oder eine leichte Trennwand eingebaut wird, die Wohnung ist baulich darauf vorbereitet. Der Rohbau ist anpassbar geplant und ausgeführt: Treppenhaus, Schächte und tragenden Wände.
Was könnte man aus heutiger Sicht anders machen?
„In der Planungsphase haben sich die Bauherren mehrheitlich gegen die Zusatzkosten für eine Haltestelle des Aufzuges im Keller entschieden, gegen ein paar 1000 Euro Neubaukosten pro Wohnung, auch wenn der eine oder andere Eigentümer diese Einsparungen heute bereits bereut. Denn wer möchte nicht gerne stufenlos in den Keller und auf die Dachterrasse kommen? Das war jedoch eine klare Entscheidung: ja oder nein? Die zu erwartenden Mehrkosten für die zusätzliche Gründung, den Gründungsmehraufwand insbesondere im Bereich der Aufzugsunterfahrt, summieren sich auf mehrere Tausend Euro. Pro Haltestelle haben wir 2005 etwa 5.000 Euro kalkuliert. 5.000 plus x für Gründung und Rohbau. Das war dann für die Bauherren eine klare Entscheidung zu sagen: Gut, dann eben nicht.
Und dabei war das entscheidende Argument: Wenn wir im Alter in den Keller müssen und dann schon vom Aufzug abhängig sind, dann haben wir sowieso jeder einen Zivi, der sich um uns kümmert. Das war einerseits im Scherz, aber das war andererseits auch die ernsthafte Herangehensweise: Wenn es soweit ist, dass ich bedürftig und vom Aufzug abhängig bin, dann hole ich mir professionelle Hilfe externer Art, die ich dann in den Keller schicken kann oder muss. Der Aufzug, seine Bauweise und die Anzahl der Haltestellen sind eine Luxus-Entscheidung. Daraus folgt ganz klar eine Budgeterhöhung.
Für einen barrierefreien Zugang auf die Dachterrasse muss zusätzlich zur Haltestelle der letzte Treppenlauf um eine Stufe verlängert werden. Das kostet Fläche und, und, und. Das Projekt ist im Querschnitt so ausgeknautscht, dass dieser barrierefreie Zugang nur möglich gewesen wäre, wenn man in den Wohngeschossen jeweils einige Zentimeter lichte Raumhöhe eingespart hätte. Dazu waren die Einzelnen nicht bereit. Das wurde diskutiert. Aber wenn man ein kostengünstiges Projekt baut, ist auch klar, dass man Entscheidungen treffen muss.
Die Diskussionskultur in der Projektentwicklung war so weit entwickelt, dass sich alle dessen bewusst waren, was Sinn macht zu diskutieren und was nicht. Barrierefreiheit stand nicht im Vordergrund, sondern die Kosten. Rollatoren hatten hier keine Relevanz, da die zu diesem Zeitpunkt keiner benutzte. Die Bauherren waren mehrheitlich in ihren 30ern. Der barrierefreie Zugang der Dachterrasse galt als Luxus.
Kompensiert wird der mangelnde barrierefreie Zugang zur gemeinschaftlichen Dachterrasse durch die sozial nachhaltige Baugemeinschaft, durch Mithilfe der Angehörigen und/oder Nachbarn. Bauliche Hindernisse werden hier mittels guter nachbarschaftlicher Verhältnisse überwunden. Bei Bedarf wird dann auch ein Rollstuhl auf die Dachterrasse getragen oder ein hochaltriger Besuch auf das WC. Das Mehrgenerationenprojekt kann beweisen, dass es auch anders geht.
Quelle: Antworten aus Forschungsbericht Ready, IWE , 2014
P-003
A52 – ten in one
10 variabel teilbare Wohnungen
Baugruppe A52 GbR
roedig: schop Architekten
2005
(D) Anklamer Straße 52, Berlin
roedig: schop Architekten Projektbeschreibung
www.roedig-schop.de/
Webforum Bauzentrum München, 2021
» PDF Vortrag Christoph Roedig, Architekt
Publikation:
» Ready Stiftung Wüstenrot (Hrsg.) S.99f